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ACTILIT (IF)

WOMEN’S PRACTICAL LITERACY AND LEARNING PRACTICES IN THE LATE MIDDLE AGES (1350-1500)

Worum geht es in Ihrem Projekt und was sind die Forschungsziele?
Die Schriftlichkeit und die literarische Bildung von Frauen sind wichtige Themen. Während des Mittelalters bestanden Moralisten und Prediger immer wieder auf einer vorsichtigen Herangehensweise, die die Erzieher einnehmen mussten, wenn sie Mädchen das Schreiben lehrten, da es sowohl als eine nützliche als auch als eine gefährliche Fähigkeit angesehen wurde. Moderne Historiker neigten lange dazu, lesende Frauen als Ausnahmen zu betrachten und definierten die mittelalterliche Alphabetisierung als eine beinahe ausschließlich männliche Domäne. In den letzten Jahren hat sich die kulturelle Rolle der mittelalterlichen Frauen und der Schriftlichkeit zu einem dynamischen Forschungsthema entwickelt. (Vgl. die Bände des Projekts Liturgical Life and Latin Learning at Paradies by Soest, 1300-1425, hg. von M. Fassler, J. Hamburger, S. Marti, E. Schlotheuber)
Im Zentrum des Projekts ACTILIT steht das Konzept der praktischen Alphabetisierung von Frauen. Alphabetisierung wird nicht nur als eine kulturelle Fähigkeit betrachtet, sondern vor allem als eine soziale und ökonomische Fertigkeit, die für die Verbesserung der persönlichen Handlungsfähigkeit und der sozialen Emanzipation notwendig ist. Als solches wird ACTILIT die Rolle der mittelalterlichen Frauen, seien es Nonnen oder Laienfrauen (Mütter), bei der Weitergabe von literarischem Wissen und die spezifischen Ziele der Alphabetisierung von Mädchen, beleuchten.
Die Studie wird auf der methodischen Erforschung von Archivbeständen, insbesondere aus Nonnenklöstern, basieren: Sie wird die von Frauen verwendeten Schriften, die Buchführungstechniken, die Sprache, die Art und den Zweck der Dokumente für den Zeitraum 1350-1500 untersuchen. Auch Briefe, die von Laienfrauen geschrieben wurden, werden berücksichtigt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts wird die Untersuchung der Ausbildung von Laienmädchen in Frauenklöstern und damit die Weitergabe von Wissen zwischen Ordens- und Laienfrauen darstellen. Ausgangspunkt der Forschung ist die Toskana. Die zweite Phase des Projekts wird aus dem Vergleich zwischen den toskanischen und den deutschen Daten bestehen. Dies ist möglich dank der laufenden Forschungsprojekte des Teams von Prof. Eva Schlotheuber.

Wie ist die Projektidee entstanden?
Die Notwendigkeit eines Projekts zur praktischen weiblichen Alphabetisierung habe ich bei meinen Recherchen in den Florentiner Archiven erkannt: Viele Dokumente der pragmatischen Schriftlichkeit in den Archivbeständen der Frauenklöster ab den 1350er Jahren wurden von den Nonnen selbst geschrieben. Das bedeutet, dass diese Nonnen täglich schrieben und lasen: das war einfach eine normale Praxis. Es stellte sich die Frage: Wo haben diese Frauen schreiben, lesen und rechnen gelernt? Im Kloster? Zu Hause? Lernten auch Laienfrauen das Lesen und Schreiben für praktische Zwecke, so wie die Nonnen? Vielleicht im Kloster, während ihrer Ausbildung? Wie wurde dieses Wissen von Nonnen und Laienfrauen genutzt, insbesondere für das Schreiben von Briefen? Die Konvergenz mit Prof. Schlotheubers Projekten über deutsche Nonnen und insbesondere über die monastische Briefkultur legten es für mich nahe, dieser Studie eine europäische Dimension zu geben.

Wieso haben Sie sich für die EU-Forschungsförderung entschieden?
Das MSCA-Stipendium ist eine hervorragende Möglichkeit, um einem Forschungsthema eine europäische Dimension zu verleihen und eine fruchtbare Zusammenarbeit zu ermöglichen, die zu innovativen Ergebnissen und neuen vergleichenden Perspektiven führen kann. Wie sieht es zum Beispiel vergleichend mit der weiblichen Alphabetisierung im mittelalterlichen Italien und Deutschland aus: Gibt es signifikante Unterschiede zwischen diesen Regionen bezüglich der weiblichen Bildung, z.B. was die Lateinkenntnisse betrifft? In Deutschland lernte man üblicherweise anhand des Lateins Lesen und Schreiben. Ein Forschungsaufenthalt in einem neuen Land bietet auch die Möglichkeit, das eigene Netzwerk und die Karrieremöglichkeiten zu erweitern sowie neue Fähigkeiten zu erwerben.

Was raten Sie Forschenden, die sich für eine EU-Forschungsförderung interessieren?
Mein Rat wäre, zunächst einmal das eigene Forschungsinteresse aus europäischer Sicht zu betrachten: Warum ist meine Forschung für andere Forscherinnen und Forscher von Bedeutung, und wie könnte sie durch eine internationale Zusammenarbeit verbessert werden? Und vor allem, warum sollte sie weiterentwickelt und einem großen Publikum zugänglich gemacht werden? EU-Förderungen werden nicht nur für innovative Ideen gewährt, sondern auch für sinnvolle Ideen, also für etwas, das unsere Perspektiven und die Art und Weise, wie wir unsere Vergangenheit, unsere Kultur, unsere Möglichkeiten wahrnehmen, verändern kann. Aus diesem Grund erfordert die Konzeption und das Schreiben eines europäischen Projekts eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Forscher und seinem Betreuer und der Gastinstitution.


Laufzeit 15. Juni 2021 bis 14. Juni 2023
Fördersumme HHU EUR 174.806,40
Fördersumme Gesamt EUR 174.806,40
Förderprogramm MSCA-IF-2020 - Individual Fellowships

This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under the Marie Sklodowska-Curie grant agreement No 101026488.


Verantwortlichkeit: